18. September 2024

Die Automobilzuliefererindustrie und Strategien aus der Krise

Die deutsche Automobilzulieferindustrie, einst ein globales Vorzeigemodell für Effizienz und Innovation, steht vor einer existenziellen Krise. Zahlreiche Faktoren, wie die Umstellung auf Elektromobilität, sinkende Absatzzahlen, wachsender Importdruck aus China, hohe Energiekosten sowie verschärfte CO₂-Gesetzgebungen setzen der Branche schwer zu. Unternehmen müssen dringend neue Strategien entwickeln, um in diesem herausfordernden Umfeld bestehen zu können.

Verzweifelt wirkende Männer an einem Schreibtisch

Woher rührt die Krise der Automobilzulieferer?

Die Automobilzuliefererindustrie in Deutschland steht vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Die Branche, die traditionell als Rückgrat der deutschen Wirtschaft gilt, sieht sich mit einem sich schnell verändernden Marktumfeld konfrontiert. Faktoren wie die zunehmende E-Mobilität, sinkende Absatzzahlen, verschärfter Wettbewerb, hohe Energiekosten und die Importkonkurrenz aus China setzen die Unternehmen unter Druck. Hinzu kommen regulatorische Anforderungen, wie die verschärfte CO₂-Gesetzgebung, sowie Herausforderungen durch kleinere Losgrößen und Standortschwierigkeiten. Doch wie können Zulieferbetriebe diesen Problemen begegnen und sich nachhaltig aufstellen? Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen zeigt Wege aus der Krise und gibt Anhaltspunkte, welche Strategien erfolgsversprechend sind.

Wolfgang A. Haggenmueller

Veröffentlicht

18. September 2024

Das Aus konventioneller Fahrzeugkomponenten und weitere Faktoren im Überblick

Die Automobilzulieferindustrie ist von mehreren Seiten unter Druck geraten. Einer der Hauptgründe ist die wachsende Bedeutung der Elektromobilität. Der Übergang vom Verbrennungsmotor zu elektrischen Antrieben führt dazu, dass zahlreiche Zulieferbetriebe, die bislang auf konventionelle Fahrzeugkomponenten spezialisiert waren, ihre Marktposition verlieren. Dies betrifft insbesondere Unternehmen, die auf Motoren- und Getriebeteile fokussiert sind.

E-Mobilität

Der Umstieg von Verbrennungsmotoren auf elektrische Antriebe stellt viele Zulieferer vor grundlegende Veränderungen. Unternehmen, die traditionell Teile für Verbrennungsmotoren herstellen, sehen ihre Marktanteile schrumpfen. Die Nachfrage nach Batteriezellen, elektronischen Steuerungen und leichten Materialien hingegen wächst. 

Sinkende Absatzzahlen

Ein weiterer bedeutender Faktor sind die sinkenden Absatzzahlen in der Automobilindustrie. Die Nachfrage nach Neuwagen in Europa und anderen traditionellen Märkten geht zurück, teilweise bedingt durch die Unsicherheit der Verbraucher in wirtschaftlich turbulenten Zeiten und den anhaltenden Trend zur Nachhaltigkeit, der viele Menschen dazu bewegt, auf den Kauf eines eigenen Autos zu verzichten. Die gesamte Automobilindustrie kämpft mit rückläufigen Verkaufszahlen. Gründe dafür sind wirtschaftliche Unsicherheiten, aber auch der Trend hin zu Shared Mobility und einem geringeren Bedarf an individuellen Fahrzeugen.

Kleinere Losgrößen

Der Trend zu individualisierten Fahrzeugen erfordert von Zulieferern Flexibilität und die Fähigkeit, kleinere Losgrößen wirtschaftlich produzieren zu können. Dies stellt traditionelle Produktionsprozesse auf den Prüfstand.

Konkurrenz aus China

Hinzu kommt der massive Wettbewerbsdruck durch Importe aus China. Chinesische Hersteller drängen immer stärker auf den europäischen Markt und bieten Produkte zu deutlich günstigeren Preisen an. Dies wird durch die zunehmende Verschiebung der globalen Wertschöpfungsketten begünstigt, die auch durch den anhaltenden Technologietransfer zwischen westlichen Unternehmen und chinesischen Herstellern befeuert wird. Die zunehmende Qualität der Produkte aus Fernost verstärkt den Druck auf europäische Zulieferer, ihre Kostenstrukturen zu überdenken und effizienter zu werden.

CO2-Gesetzgebung

Strengere Umweltauflagen und die Notwendigkeit, CO2-Emissionen zu reduzieren, setzen nicht nur die Automobilhersteller, sondern auch deren Zulieferer unter Zugzwang. Die Entwicklung emissionsärmerer Produkte und Prozesse ist unerlässlich.

Standortschwierigkeiten

Hohe Löhne, Steuern und Infrastrukturkosten machen Deutschland als Produktionsstandort weniger attraktiv. Gleichzeitig erhöhen sich die Energiekosten, was die Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich beeinträchtigt. Diese führen zu einer Verteuerung der Produktion und setzen die Margen der Zulieferer weiter unter Druck.

Strategien für die Zukunft

  • Diversifikation: Viele Zulieferer setzen auf die Diversifikation ihres Produktportfolios. Unternehmen wie Bosch und Continental haben begonnen, sich stärker auf Elektronik, Softwarelösungen und alternative Antriebe zu konzentrieren. Sie investieren in Batterietechnologien, autonome Fahrzeugsysteme und Mobilitätsdienstleistungen.
  • Partnerschaften und Kooperationen: Die Zusammenarbeit mit Start-ups und Technologiefirmen kann den Zugang zu neuen Technologien und Märkten erleichtern. Schaeffler hat beispielsweise strategische Allianzen im Bereich der E-Mobilität und autonomes Fahren geschlossen, um von neuen Entwicklungen zu profitieren und seine Marktposition zu stärken.
  • Investitionen in Forschung und Entwicklung: Ein starker Fokus auf Innovationen ist entscheidend. Unternehmen, die in die Entwicklung neuer Technologien investieren, können sich von der Konkurrenz abheben. ZF Friedrichshafen hat etwa umfangreiche Investitionen in die Forschung zu autonomem Fahren und E-Mobilität getätigt.
  • Optimierung der Produktion durch Industrie 4.0: Die Digitalisierung der Produktionsprozesse ermöglicht es, effizienter und flexibler zu produzieren. Siemens hat hier mit seinem „Digital Enterprise“ Programm einen Weg eingeschlagen, um durch vernetzte, intelligente Produktionssysteme die Effizienz zu steigern und Losgrößen flexibler zu gestalten.
  • Kosteneffizienz und Standortverlagerung: Angesichts hoher Produktionskosten in Deutschland denken viele Unternehmen über eine Verlagerung von Produktionsstätten nach. Niedrigere Lohnkosten und steuerliche Vorteile in Osteuropa oder Asien sind hier ausschlaggebend. Jedoch sollten Unternehmen dabei die Qualität und Lieferzeiten im Auge behalten.

Beispiele für erfolgreiche und gescheiterte Ansätze

Erfolgreiche Beispiele gibt es in der Branche zahlreiche. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, haben einige Unternehmen bereits erfolgreiche Strategien umgesetzt. So hat beispielsweise der Zulieferer Schaeffler frühzeitig auf die Elektromobilität gesetzt und seine Produktpalette um elektrische Antriebskomponenten erweitert. Das Unternehmen investierte massiv in Forschung und Entwicklung und konnte sich dadurch als wichtiger Partner für Automobilhersteller im Bereich E-Mobilität etablieren.

Ein weiteres erfolgreiches Beispiel ist die Robert Bosch GmbH, die auf Diversifikation setzt. Im Bereich der Mobilitätslösungen und autonomes Fahren hat sich Bosch stark positioniert. Neben der Automobiltechnik auch auf andere Bereiche wie Haushaltsgeräte und Industrieautomation fokussiert. Diese breite Aufstellung ermöglicht es dem Unternehmen, Schwankungen in der Automobilbranche besser abzufedern. Continental punktet mit Innovationen im Bereich der Reifentechnologie und E-Mobilität. Beide Unternehmen setzen stark auf Forschung und Entwicklung und haben ihre Produktion durch Industrie 4.0-Ansätze optimiert.

Nicht alle Strategien haben jedoch zum Erfolg geführt. Einige Zulieferer versuchten, durch reines Kostensparen und Standortverlagerungen ins Ausland ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Doch diese Ansätze führten oft zu Qualitätseinbußen und einem Verlust von Know-how, was letztlich die Marktposition der Unternehmen schwächte. Strategien, die zu spät oder nicht konsequent umgesetzt werden, sind meist ebenso zum Scheitern verurteilt. Unternehmen, die zu lange auf traditionelle Geschäftsmodelle setzen, laufen Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Zudem ist eine zu starke Abhängigkeit von einzelnen Märkten oder Technologien riskant. Unternehmen, die nicht bereit sind, in neue Technologien und Märkte zu investieren, verlieren oftmals an Wettbewerbsfähigkeit.

Tipps zur Entwicklung erfolgreichen Strategien

Marktanalyse und Flexibilität

Um eine passende Strategie für das eigene Unternehmen zu finden, sollten Zulieferbetriebe zunächst eine gründliche Analyse ihrer aktuellen Situation und ihrer Kernkompetenzen durchführen. Wichtige Fragen dabei sind: In welchen Bereichen hat das
Unternehmen besonderes Know-how? Welche Markttrends könnten dieses Know-how zukünftig nachfragen? Ein tiefes Verständnis des Marktes und der Kundenbedürfnisse ist entscheidend. Zulieferer sollten flexibel auf Veränderungen reagieren können und ihre Geschäftsmodelle anpassen.

Gleichzeitig ist es entscheidend, flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren. Unternehmen sollten darauf achten, ihre Produktionskapazitäten und -prozesse so anzupassen, dass auch kleine Losgrößen effizient hergestellt werden können. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit der steigenden Nachfrage nach individuellen und maßgeschneiderten Lösungen von Bedeutung.

Investition in Mitarbeiter

Qualifizierte Fachkräfte sind der Schlüssel zum Erfolg. Die Weiterbildung der Belegschaft in neuen Technologien und Prozessen sollte Priorität haben.

Technologische Anpassung

Unternehmen sollten frühzeitig in die Erprobung und Implementierung neuer Technologien investieren. Dies kann durch eigene Forschung oder strategische Partnerschaften geschehen. Eine klare Fokussierung auf innovative Technologien und zukunftsfähige Märkte, wie etwa die Elektromobilität oder alternative Antriebstechnologien, kann helfen, sich langfristig im Markt zu behaupten. Eine Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und anderen Unternehmen kann zudem Innovationen fördern und Entwicklungszeiten verkürzen.

Nachhaltigkeit

Ein Fokus auf umweltfreundliche Produktionsmethoden und Produkte ist nicht nur regulatorisch notwendig, sondern auch ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um Kunden.

Langfristige Planung

Erfolgreiche Strategien basieren auf langfristigem Denken. Kurzfristige Kostensenkungen sollten nicht auf Kosten der Innovationsfähigkeit und Marktanpassung gehen.

Kundenfokussierung

Eine enge Zusammenarbeit mit den Kunden ist ebenfalls von Vorteil. Dies ermöglicht es den Zulieferern, frühzeitig auf sich ändernde Anforderungen zu reagieren und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Darüber hinaus kann die Nutzung digitaler Technologien und die Automatisierung der Produktion dazu beitragen, Kosten zu senken und gleichzeitig die Qualität zu steigern.

Fazit

Die Automobilzuliefererindustrie in Deutschland steht vor großen Herausforderungen, die jedoch auch Chancen bieten. Unternehmen, die bereit sind, sich zu verändern, in neue Technologien zu investieren und strategische Partnerschaften einzugehen, haben die besten Aussichten, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Der Schlüssel liegt in der Kombination aus Innovation, Flexibilität und einer klaren Markt- und Kundenorientierung. Unternehmen mit einer klaren Vision und flexible Strategien, die diesen Weg erfolgreich beschreiten, können auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der globalen Automobilindustrie spielen.

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