11. Juli 2024

Schrägverzahnungen durch Axialformen: Neue und nachhaltige Wege in der Massivumformung

Durch politische Vorgaben wie den European Green Deal soll der Fokus schon heute deutlich stärker auf CO2-neutralen Fertigungsstrategien liegen. Für die energieintensive Massivumformung bedeutet dies einen Drahtseilakt zwischen Materialersparnis und Energieeinsatz, sodass innovative Impulse benötigt werden, um den Umweltvorteil gegenüber konkurrierenden Fertigungsverfahren zu vergrößern. Durch den Einsatz von Axialformen für die Herstellung von Schrägverzahnungen bündelt Felss die Verfahrensvorteile, um gezielt neue Märkte zu erschließen.

Die Felss-Gruppe ist ein weltweit bekannter Lösungsanbieter im Bereich der Kaltumformung für die Automobilindustrie. Mit einer 100-jährigen Erfahrung in Nischentechnologien konnte Felss das Rundkneten und Axialformen zielgerichtet zur Reduktion von Bauteilgewichten einsetzen. Als etablierter Leichtbauexperte liegt der Fokus auf der Identifizierung und Umsetzung der jeweils individuellen, optimalen sowie nachhaltigen Lösung für den gesamten Prozess – von der Produktentwicklung über die Maschinen bis hin zum fertigen Bauteil. Angesichts der zunehmenden Wichtigkeit umwelt­technischer Aspekte bündelte Felss die Entwicklungsressourcen der vergangenen Jahre sehr stark auf die Generierung von Kundenvorteilen, die gezielt als Innovationstreiber genutzt wurden. Dazu zählt beispielsweise die Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks. Die daraus resultierende Weiterentwicklung der bestehenden Kerntechnologie Axialformen ermöglicht nun die Herstellung von Schräglaufverzahnungen und eröffnet dieser ressourcenschonenden Technologie ein gänzlich neues Marktsegment.

Dr.-Ing. Nadezda Missal

Stefanie Schwertel

Maximilian Ludwig

Veröffentlicht

11. Juli 2024

Grafik des Aufbaus eines Axialformprozesses und Tabelle zu Verzahnungsdaten

Technologie Axialformen

Das Axialformen ist ein Kaltumformverfahren, bei dem ein Rohr oder ein Stab in seinem Querschnitt verjüngt oder ein spezifisches Profil angeformt wird. Den größten Anteil der Axialformprozesse macht die Herstellung von Innen- und Außenverzahnungen aus. Hierbei wird als Umformwerkzeug eine Matrize mit der Negativkontur der gewünschten Verzahnung in axialer Richtung über das Bauteil bewegt und dadurch die Werkzeugkontur präzise auf das Bauteil übertragen (Bild 1 a). Ein Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass mittels des einteiligen Werkzeugs alle Zähne gleichzeitig erzeugt und somit exzellente Teilungsergebnisse bei Verzahnungen erreicht werden. Weiterhin kann das Axialformen durch eine Frequenzmodulation beziehungsweise die rekursive Bewegung als inkrementelles Verfahren ausgelegt werden. Diese rekursive Bewegung des Werkzeugs besteht aus einer stetigen Wiederholung eines Vorhubs, wobei der eigentliche Umformprozess ausgeführt wird, auf den unmittelbar ein geringer Rückhub folgt. Während des Rückhubs wird die Umformzone freigelegt, sodass diese von dem umströmenden Schmierstoff erneut benetzt werden kann.

Bei konventionellen Kaltumformverfahren kann es dahingegen durch die typischen hohen Kontaktspannungen sowie durch die prozessbedingt starke Oberflächenvergrößerung zum Schmierfilmabriss kommen. Durch die permanente Erneuerung des Schmierfilms beim frequenzmodulierten Axialformen lassen sich die tribologischen Prozesseigenschaften verbessern und ein Schmierfilmabriss vermeiden. Somit können die Reibungskräfte in Abhängigkeit vom Schmiermittel, im Vergleich zum Axialformen ohne Frequenzmodulation um bis zu 40 Prozent reduziert werden und bedeuten gleichzeitig auch eine Reduzierung der gesamten Prozesskraft. Dadurch können deutlich filigranere Bauteile mit geringen Wandstärken hergestellt werden, ohne dass es während des Umformens zum Ausknicken oder Stauchen kommt. Das Axialformen mit seinem hohen Leichtbaupotenzial ist derzeit technologisch noch auf die rein axiale Werkzeugbewegung und dementsprechend auf die Fertigung gerade verlaufender Profile wie zum Beispiel Gerad- oder Steckverzahnungen begrenzt.

Potentielle Vorteile

Aufgrund der steigenden Anforderung hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks werden vermehrt Anfragen zur umformtechnischen Fertigung von schrägverzahnten Wellen wahrgenommen. Um diesen Wünschen gerecht zu werden, hat das Unternehmen ein Entwicklungsprojekt zur Ermittlung der Machbarkeit von axialgeformten Schrägverzahnungen in enger Zusammenarbeit mit drei Kunden gestartet. Die Analyse des Markts und die darauffolgende Literaturrecherche zeigte, dass die stärkste Konkurrenztechnologie in diesem Marktsegment nicht die alternativen umformtechnischen Verfahren ist, wie das Samanta-Verfahren, das Walzen oder Kombinationen aus Quer- und Vorwärtsfließpressen, sondern das spanende Verfahren Wälzfräsen. Anhand dieser Erkenntnis wurden die potenziellen Vorteile identifiziert, die das Axialformen gegenüber dem Wälzfräsen bieten kann:

  • vollständige Materialausnutzung durch die Umformung und daraus folgende CO2-Einsparung
  • exzellente Teilung der Verzahnung durch das einteilige Umformwerkzeug
  • kompakte Verzahnungsauslegung durch geringen benötigten Verzahnungsauslauf zum nächsten Wellenabsatz

Entwicklung der neuen Technologie

In Anbetracht des aufgeführten Technologienutzens wurde die Machbarkeitsanalyse weiterverfolgt und mit den Projektpartnern die in Bild 1b dargestellten Verzahnungen als Validierungsgeometrien ausgewählt sowie marktübliche Toleranzgrenzen festgelegt.

Für diese Untersuchungen wurde als erster Prototyp eine konventionelle, horizontale Axialformmaschine Aximus H02 mit einem freigelagerten Werkzeugträger ausgestattet, sodass die Drehbewegung der Matrize allein aus dem Werkstoffwiderstand und der schrägverzahnten Matrizengeometrie resultiert. Während in dieser Versuchsreihe verzahnte Bauteile mit Schrägungswinkeln im einstelligen Bereich erfolgreich erzeugt werden konnten, wiesen die Messprotokolle durchgehend eine Abweichung des Schrägungswinkels im Bereich von 0,5° bis 2° auf. Dieser Winkelversatz konnte zwar experimentell durch das Vorhalten des fehlenden Schrägungswinkels ausgeglichen werden, jedoch ist dieser Vorgang durch die mehrfache geometrische Anpassung der Matrize sehr zeit- und kostenintensiv. Eine Anwendung dieses Herstellungsprinzips mit dem freigelagerten Werkzeugträger auf die Fertigung größerer Schrägungswinkel war technologisch nicht möglich.

Um die Wirtschaftlichkeit der Herstellung von Schrägverzahnungen durch Axialformen zu realisieren, wurde die Drehachse um einen elektrischen Antrieb erweitert, sodass die Steuerung des Schrägungswinkels ohne Anpassung der Matrizengeometrie und allein über ein aktiv aufgebrachtes Drehmoment erfolgen kann. Darüber hinaus ermöglicht die Neukonstruktion des Werkzeugträgers aus Servo-Motor und Schneckengetriebe die Fertigung größerer Schrägungswinkel, da die aktive Drehung der Matrize die problematische Scherbelastung auf die Matrizenzähne senkrecht zur Zahnflanke reduziert beziehungsweise in die unkritische Richtung des Schrägungswinkels lenkt (Bild 2).

    horizontale Axialformmaschine Aximus H02

    Prozesskette

    Beginnende Schwierigkeiten, das gewünschte Wegprofil zu realisieren, waren der herausfordernden Synchronisierung des hydraulischen axialen Maschinenantriebs und dem elektrischen Drehantrieb des Werkzeugträgers geschuldet. Dabei bestehen enorme Prozessanforderungen an die Antriebe durch die benötigte hohe Beschleunigung und Genauigkeit unter starken Lasten für die Frequenzmodulation sowie für die entsprechende Dauerfestigkeit.

    Flankenliniendiagramme der axialgeformten Verzahnung

    Diese Verbesserungen und die erreichte Präzision spiegelten sich auch in den Messprotokollen der durchgeführten Versuchsreihe wider, da die geforderten Toleranzbereiche bis auf die Abweichung der Flankenlinie erreicht wurden. Während die Flankenlinien-Winkelabweichung durch die gezielte Übersteuerung des Schrägungswinkels positiv beeinflusst werden kann, bleibt die Flankenlinien-Gesamtabweichung nahezu unverändert und weist über die Verzahnungslänge einen spezifischen Verlauf auf (Bild 3a, rot markiert).

    Dieser Verlauf kann belastungsbedingt in drei Bereiche unterteilt werden, wobei zu Beginn des Prozesses beim Eintritt und zum Ende beim Austritt der Matrize aus dem Bauteil die Belastung beziehungsweise das Wachstum der Kontaktfläche zwischen Matrize und Bauteil deckungsgleich mit dem Verlauf der Flankenlinienabweichung ist. Während der quasistationären Umformung, wenn die Matrize in vollständigem Eingriff mit dem Bauteil ist, bleibt auch die Abweichung der Flankenlinie konstant, sodass die gemessene Flankenlinien-Gesamtabweichung nicht auf den Umformprozess selbst zurückzuführen ist.

    Die darauf­folgende strukturmechanische Analyse der belasteten Axialformmaschine mit der Simulationssoftware Meshparts bestätigte, dass die Maschine aufgrund des ursprünglichen Anwendungsgebiets eine zu geringe Verwindungssteifigkeit gegenüber Torsionsbelastungen aufweist. Bereits durch eine einfache Verstärkung der Stößelführung mit vier anstelle von zwei Führungsarmen reduzierte sich der numerisch ermittelte Winkelversatz zwischen Werkzeugträger und der Bauteileinspannung unter Volllast von 0,056° auf 0,033° (Bild 3c).

    Diese Verbesserung um 41  Prozent konnte durch Torsionsversuche an der Maschine und zusätzlich durch die Messergebnisse der Bauteile der nachfolgenden Versuchsreihe bestätigt werden. Der Verlauf der Flankenlinienabweichung unter Anwendung von vier Führungselementen ist deutlich abgeflachter und resistenter gegen Lastveränderungen während der instationären Anfangs- und Endphase des Umformvorgangs geworden (Bild 3b).

    Ebenfalls konnten mit dieser Versuchsreihe erstmals die geforderten Toleranzbereiche der Validierungsgeometrien eingehalten und die wirtschaftliche Machbarkeit des Axialformens von Schrägverzahnungen bis zu einem Schrägungswinkel von 22,5° nachgewiesen werden [1].

    Neben horizontalen Axialformmaschinen bieten vor allem vertikale Axialformmaschinen den Vorteil geringeren Platzbedarfs und eine bessere Zugänglichkeit des Arbeitsraums. Um zukünftig auch größere Verzahnungen mit höheren Schrägungswinkeln axialformen zu können, muss zum Erreichen gleichbleibender Toleranzen das gesamte Führungskonzept anhand der erwarteten Drehmomente und Lasten neu entwickelt werden. Mittels der strukturmechanischen Optimierung konnte das Führungskonzept mit der größten Torsionssteifigkeit ermittelt werden (Bild 4).

      Grafik einer vertikalen Axialformmaschine

      Durch die deutlich massivere Auslegung der Stößelplatte samt Führungsarmen, die nun über acht statt zuvor vier Kugelumlaufwägen auf den Schienen präzise axial geführt werden, konnte die Verwindung des Pressengestells signifikant um 70 Prozent gegenüber der konventionellen vertikalen Axialformmaschine mit vier Führungsarmen reduziert werden. Neben dem Führungskonzept wurde zusätzlich der Drehantrieb des Werkzeugträgers durch einen zweiten Servo-Antrieb verstärkt, der gleichzeitig die Lebensdauer des Schneckengetriebes für die vorgesehene Serienproduktion erhöht. Eine Kupplung zwischen dem Schneckengetriebe und dem Werkzeugträger ermöglicht die ungehemmte Drehung des Umformwerkzeugs über die bereits geformte Verzahnung, sodass eine ungewollte Verformung der präzisen Verzahnung im Rückhub ausgeschlossen werden kann [2].

      Fazit

      Zusammengefasst konnte das Axialformen zu einer wirtschaftlichen Alternative zur Fertigung von Schrägverzahnungen weiterentwickelt werden. Durch die aktive Einbringung des benötigten Drehmoments und der präzisen Synchronisierung mit der axialen Pressenbewegung konnten schrägverzahnte Wellen mit einem Schrägungswinkel bis zu 22,5° durch das Axialformen mit Frequenzmodulation umformtechnisch gefertigt werden. Die mangelhafte Flankenliniengesamtabweichung konnte auf die fehlende Torsionssteifigkeit zurückgeführt werden und durch eine massive Ausführung des gesamten Führungssystems auf den gegebenen Toleranzbereich limitiert werden. Zusätzlich getrof­fene Maßnahmen in der Verstärkung der Antriebsleistung sollen zukünftig den Einsatz in der Serienproduktion sowie die Fertigung größerer Verzahnungen bei gleichbleibenden Toleranzbereichen ermöglichen und einen Beitrag zur ressourceneffizienten und umweltfreundlichen Produktion leisten.

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      Diese Verbesserungen und die erreichte Präzision spiegelten sich auch in den Messprotokollen der durchgeführten Versuchsreihe wider, da die geforderten Toleranzbereiche bis auf die Abweichung der Flankenlinie erreicht wurden. Während die Flankenlinien-Winkelabweichung durch die gezielte Übersteuerung des Schrägungswinkels positiv beeinflusst werden kann, bleibt die Flankenlinien-Gesamtabweichung nahezu unverändert und weist über die Verzahnungslänge einen spezifischen Verlauf auf (Bild 3a, rot markiert). Dieser Verlauf kann belastungsbedingt in drei Bereiche unterteilt werden, wobei zu Beginn des Prozesses beim Eintritt und zum Ende beim Austritt der Matrize aus dem Bauteil die Belastung beziehungsweise das Wachstum der Kontaktfläche zwischen Matrize und Bauteil deckungsgleich mit dem Verlauf der Flankenlinienabweichung ist. Während der quasistationären Umformung, wenn die Matrize in vollständigem Eingriff mit dem Bauteil ist, bleibt auch die Abweichung der Flankenlinie konstant, sodass die gemessene Flankenlinien-Gesamtabweichung nicht auf den Umformprozess selbst zurückzuführen ist.

      Die darauf­folgende strukturmechanische Analyse der belasteten Axialformmaschine mit der Simulationssoftware Meshparts bestätigte, dass die Maschine aufgrund des ursprünglichen Anwendungsgebiets eine zu geringe Verwindungssteifigkeit gegenüber Torsionsbelastungen aufweist. Bereits durch eine einfache Verstärkung der Stößelführung mit vier anstelle von zwei Führungsarmen reduzierte sich der numerisch ermittelte Winkelversatz zwischen Werkzeugträger und der Bauteileinspannung unter Volllast von 0,056° auf 0,033° (Bild 3c). Diese Verbesserung um 41  Prozent konnte durch Torsionsversuche an der Maschine und zusätzlich durch die Messergebnisse der Bauteile der nachfolgenden Versuchsreihe bestätigt werden. Der Verlauf der Flankenlinienabweichung unter Anwendung von vier Führungselementen ist deutlich abgeflachter und resistenter gegen Lastveränderungen während der instationären Anfangs- und Endphase des Umformvorgangs geworden (Bild 3b). Ebenfalls konnten mit dieser Versuchsreihe erstmals die geforderten Toleranzbereiche der Validierungsgeometrien eingehalten und die wirtschaftliche Machbarkeit des Axialformens von Schrägverzahnungen bis zu einem Schrägungswinkel von 22,5° nachgewiesen werden [1].

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      Quellen

      [1] Missal, N.; Schwertel, S.: Innovative cold metal forming processes for a sustainable future – Moving forward with helical gear drive components in a resource- and energy-efficient way. Dritev 2023, VDI-Berichte Band 2420, S.295-306, VDI-Verlag, Düsseldorf, 2023, https://doi. org/10.51202/9783181024201

      [2] Missal, N; Schwertel, S.; Ludwig, M.: The next level of axial forming for a sustainable component and process chain design. Tagungsband International Conference on Gears 2023, VDI-Berichte Band 2422, S.1765-1776, VDI-Verlag, Düsseldorf, 2023, http://dx.doi.org/10.51202/97831810242251765

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